Einführung

Liebe Leser/innen,

Herzlich willkommen.

In dem folgenden Text möchte ich auf einfach fassbare Weise die fünf Stationen des Vedischen Weges präsentieren.

Dieser Text ist der erste von vielen aufeinander aufbauenden Texten, in denen ich einen Vorgeschmack davon geben möchte, welche Art Wissen und Erfahrung wir in unseren Kursen vermitteln.

Es ist mir ein wichtiges Anliegen bereits in diesen Einführungstexten praktische Hinweise zu geben, die zu einem erfüllten, spirituellen Leben verhelfen können.

Alles Liebe und Gute und recht viel spirituelle Kraft,

Sacinandana Swami

 

Die drei Körper

Nach vedischer Ansicht haben wir nicht einen, sondern drei Körper. Dies klingt zunächst überraschend. Wenn wir uns jedoch näher mit dieser Auffassung beschäftigen, werden wir sehen, dass sie uns hilft, einen differenzierten Überblick über unser Dasein zu bekommen. Darüber hinaus unterstützt sie uns dabei ein erfülltes und ganzheitliches, spirituelles Leben zu führen.

Die drei Körper sind:
• der physische Körper,
• der subtile Körper und der
• Kausalkörper.

Sie umfassen die 5 koshas oder Hüllen des Menschen, welche das spirituelle Selbst – das glänzende Juwel im Inneren – bedecken. Die Upanishaden bezeichnen sie als Schichten, die das reine Licht des transzendentalen Selbst verhüllen, wobei die letzte bereits ziemlich transparent ist.

Diese fünf Hüllen (siehe Abbildung 1) sind:

1. anna-maya-kosha, die Hülle des physischen Körpers,
2. prana-maya-kosha, die Hülle der Vitalkraft,
3. mano-maya-kosha, die Hülle des Geistes – also der Gedanken und Gefühle,
4. vijnana-maya-kosha, die Hülle der höheren Intelligenz und
5. ananda-maya-kosha, die Hülle der Glückseligkeit.

Fünf Hüllen

Obwohl sich diese koshas (Hüllen) gegenseitig durchdringen, wollen wir sie hier der Einfachheit halber mit Kleidungsschichten vergleichen, die wir übereinander tragen (Hemd, Pullover, Mantel, etc.). Unser Leben wird entscheidend davon beeinflusst, mit welcher dieser fünf Hüllen wir uns am meisten identifizieren, denn jede einzelne hat spezifische Bedürfnisse.

Wir wollen uns nun diese drei Körper genauer anschauen:

Der grobstoffliche Körper besteht aus der anna-maya kosha – der Hülle, die aus Nahrung hervorgeht.

Der physische Körper setzt sich grob geschätzt aus sechzig Billionen Zellen zusammen, die sich zu Haut, Organen, Knochen und den verschiedenen Systemen im Körper zusammenfügen (Nerven-, Kreislauf-, Drüsen- und vielen anderen Systemen). Diese erste Hülle wird durch Essen, Wasser und Luft gebildet. Sie ist der Untersuchungsgegenstand der westlichen Medizin und über sie wurde viel Wissen zusammengetragen.

Der feinstoffliche Körper besteht aus drei Hüllen, beginnend mit der prana-maya kosha - der Hülle, die aus Lebensenergie (prana) besteht.

Diese Hülle belebt die Organe des physischen Körpers, sowie den Atem, Stoffwechsel und die Nervenimpulse, welche Empfindungen wie Schmerz oder Wohlgefühl weiterleiten. In unterschiedlichen Kulturen trägt diese Hülle verschiedene Namen wie Qui, Prana, oder Odem des Lebens. In der traditionellen chinesischen Medizin wird sie durch Akkupunktur beziehungsweise Akkupressur behandelt, wodurch die Meridiane beeinflusst werden, durch die ein Teil dieser Energie fließt. Menschen, denen ein Körperteil amputiert wurde, berichten, dass sie das amputierte Körperteil immer noch spüren. Man spricht dann zum Beispiel von einem Phantomarm oder von Phantomschmerzen. In der Tat, die Hülle aus Lebensenergie oder prana-maya kosha ist der Phantomkörper.

Kurz gesagt: Diese vitale Hülle ist wie eine Matrix aus reiner Energie, die den physischen Körper nährt und erhält, aber auch bewegt.

Dann kommt mano-maya kosha – die Hülle, die aus dem Geist besteht. Sie beinhaltet Gedanken und Emotionen, die auf den ins Bewusstsein dringenden Sinneswahrnehmungen und deren Verarbeitung basieren. Mano-maya kosha ist sehr aktiv in der Welt der Träume und besteht aus einem uns bewussten und einem unbewussten Teil. Diese „Hülle aus Gedanken und Gefühlen“ ist mit dem grobstofflichen Körper
verbunden. An den Reaktionen im grobstofflichen Körper wie Erröten bei Liebe oder Adrenalinausschüttungen bei Wut, können wir erkennen, wie unsere Gedanken und Gefühle den Körper beeinflussen.

Schließlich folgt vijnana-maya kosha – die Hülle, die aus Unterscheidungsvermögen, der höheren Intelligenz (buddhi) besteht. Sie ist die Erkenntnis- oder Weisheitshülle, auf der sowohl die Fähigkeit Verhaftungen loszulassen basiert, als auch höherer Einsichten und Intuition. Vor allem ermöglicht sie das eigene Bewusstsein zu reflektieren. Begrenzt wird sie durch ahamkara, dem „Ich-Bewusstsein“.

Der Kausalkörper besteht aus ananda-maya kosha – der Hülle der Glückseligkeit. Die Hülle der Glückseligkeit kann erfahren werden, wenn ahamkara überwunden ist. Sie entspricht einer Bewusstseinsdimension, die uns mit dem göttlichen Ursprung verbindet und wird als Seligkeit, Freude, Glück und dem Gefühl des tiefen Verbundenseins mit der Welt und allen Wesen erlebt. Es ist der Quell der Lebensfreude, die man in seltenen Momenten des unerklärlichen Glücks spürt. Diese Hülle – die nicht mit dem wahren Selbst verwechselt werden darf – ist dem unsterblichen Selbst am nächsten.

 

Die Verbindung der fünf Koshas untereinander – dargestellt anhand einer Analogie

Nehmen wir einmal an, ich fahre mit einem Fahrrad durch den Wald. Plötzlich jagt ein aufgescheuchtes Reh über den Weg, und erschreckt mich dermaßen, dass ich abrupt bremse, im hohen Bogen vom Fahrrad falle und mir das Schienbein an einem Baum aufschlage.

Zuerst sehe ich, wie Blut aus dem Bein schießt. Ich betrachte den anna-maya Körper.

Als nächstes werde ich mir über den Schmerz bewusst. Die Vitalitätskraft meldet sich (prana-maya). Während die Schmerzimpulse im limbischen System meines Gehirns aktiv sind, kommen mir Gedanken und Gefühle (mano-maya). Ich sitze auf dem Waldboden und denke vielleicht: ‚Wie konnte mir dies nur passieren? Warum war ich so geistesabwesend?‘ oder ich fange an, mir Sorgen um mein Wohlergehen zu machen. Emotionen wie Schock, Angst und Traurigkeit setzen ein. Das heißt, die mentale und emotionale Hülle (mano-maya) ist aktiv geworden.

Als nächstes mag sich die vijnana-maya kosha bemerkbar machen – die höhere Intelligenz setzt ein: ‚Sicherlich wird das Reh gerade sein Kitz gesäugt und mich somit erst im letzten Augenblick wahrgenommen haben‘. Während ich ganz zuerst einfach nur reagierte und mich über das Reh ärgerte, verhilft mir die vierte Hülle mit ihrem Unterscheidungsvermögen, eine weisere Sicht der Dinge zu entwickeln, die über mein reaktives Denken hinaus geht.

Nun mag es sein, dass ich mir plötzlich darüber bewusst werde, dass das Reh nicht etwa mein Feind, sondern genau wie ich eine spirituelle Seele ist, ein Teil Gottes. Bilder wie Freund und Feind zerstäuben wie die Gischt auf einem Wellenkamm und stattdessen empfinde ich ein Gefühl des tiefen Verbundenseins mit allen Wesen. Selbst in dieser äußerlich etwas unangenehmen Situation dringt die ananda-maya kosha zu mir durch und erfüllt mich mit tiefem Glück – unabhängig von den äußeren Umständen. Ich habe so etwas wie ein Erleuchtungserlebnis!

Während der ganzen Zeit bleibt das spirituelle Selbst völlig unbeteiligt – es ist höchstens ein stiller Beobachter meines Lebens und der Ereignisse, die darin stattfinden.

Diese Hüllen helfen dem Menschen in der Welt aus Materie zu handeln – in etwa so wie ein Taucheranzug einem Menschen hilft, sich unter Wasser zurechtzufinden und dort zu agieren. Im Augenblick des physischen Todes trennen sich atman, der feinstoffliche und der kausale Körper, (bestehend aus den prana-, mano-, vijnana- und ananda-maya koshas) vom grobstofflichen Körper. Letzterer ist dem Verfall bestimmt und vermischt sich mit den grobstofflichen Elementen, wenn er Erde, Wasser, Feuer und Luft übergeben wird. Oft entsteht dann der Eindruck, die eigentliche Person sei weitergegangen.

 

Der Vedische Weg in Bezug zu den fünf Koshas

Das besondere Merkmal des Vedischen Weges ist, dass er diese fünf koshas oder Hüllen erfasst und uns lehrt, wie wir jede einzelne nähren und unterstützen können, so dass unser Leben ausgeglichen wird und förderliche Umstände für unsere spirituelle Entwicklung eintreten. Ich möchte das gern illustrieren.

1. Die erste kosha oder der physische Körper kann durch gesunde und reine Ernährung gestärkt und transformiert werden.

2. Die Lebensenergie (prana-maya-kosha) kann durch einen gesunden Lebenswandel gepflegt werden. Dazu zählt zum Beispiel – man hält es nicht für möglich – gleichmäßiges und tiefes Atmen, aber auch regelmäßige Yoga-Übungen oder einfach nur ausgewogene Bewegungen und Tätigkeiten.

3. Die Gedanken und Gefühle (mano-maya kosha) können durch ein ausgewogenes Temperament und vor allem durch die Transformation negativer Emotionen geläutert werden.

4. Die höhere Intelligenz (vijnana-maya-kosha) ist bereits durchlässig für höhere spirituelle Intuitionen oder für Weisheit, die auf Unterscheidungsvermögen beruht, von dem was materiell und spirituell ist. Auf dieser Ebene hilft Meditation, um sich von materieller Beeinflussung zu lösen und letztlich in die spirituelle Wirklichkeit vorzudringen. Wer jedoch nicht ausschließlich spirituell tätig sein möchte, kann diese vierte Ebene durch weise Entscheidungen, gute Lebensplanung und die Integrationn von Weisheit stärken. Oft hilft es, diesen Aspekt des Lebens zu fühlen und zu schulen, indem man vicara, das Schwert der Unterscheidung übt und plötzlich erkennt, was unwesentlich ist und die Kraft verspürt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

5. Die ananda-maya Ebene kann durch spirituelle Praxis genährt werden. Sehr geeignet dafür sind: das Chanten von Mantren, das Aufsuchen guter Gemeinschaft, das Studieren heiliger Schriften, die Verehrung Gottes und das Pilgern zu heiligen Orten.

Wie wir gesehen haben, ist das Wissen von den fünf koshas und wie wir sie stärken können, eine Hilfe für alle, die aus einem unbewussten und reaktiven Dasein heraustreten möchten, um sich in jeder Hinsicht zu entfalten.

 

Die fünf einfachen Lebensweisheiten

Der Vedische Weg lehrt uns fünf wichtige Lebensweisheiten, die uns helfen, diese fünf Ebenen oder Hüllen mit positiver Energie und Kraft zu versorgen, so dass alle Hindernisse in unserer Entwicklung nach und nach verschwinden. Wir haben hier diese Weisheiten in einfachen Grundsätzen zusammengefasst, die wir ausführlich und vor allem lebensnah in unseren Kursen lehren. Diese Erkenntnisse umfassen:

1. Sattva – Leben in der Balance
2. Dharma – Leben in der eigenen Bestimmung
3. Atma – Leben im Selbst
4. Paramatma – Leben in der höheren Verbindung
5. Bhakti – Leben in der Liebe

Wir wollen zusammenfassen:

Nach Sichtweise der vedischen Hochkultur ist die spirituelle Seele, der Wesenskern des Menschen, von fünf koshas oder Hüllen umgeben. Wir führen unser Leben, je nach unserem Entwicklungsstand, das heißt je nachdem wie weit wir uns über diese Ebenen und ihre Möglichkeiten bewusst sind. Viele Menschen beschränken sich leider nur auf den ersten Körper und sind deshalb humorvoll als Ess-Trink-und-Hab-Spaß Menschen einzuschätzen. Andere benutzen hauptsächlich ihren zweiten Körper und sind somit die Vitalitäts-, Geistes- oder Wissensmenschen. Nur wenige sind sich über das unsterbliche Selbst bewusst und als Selbstverwirklichte und Gottesverwirklichte in der Lage, ein völlig spirituelles Leben zu führen.

Je mehr wir uns über diese drei Körper und fünf Ebenen bewusst sind und sie für unsere spirituellen Entwicklung einsetzen, desto erfüllter wird unser Leben. Dazu ist es nötig, dass man zunächst einmal auf die Stufe der sattva kommt und sein Leben ganzheitlich erfasst und ausgleicht. Sattva verhilft uns alles im richtigen Licht zu sehen. (Mehr über sattva in einem der zukünftigen Artikel).

 

Die Lehre des Bleistiftes

Um diese Themen ein wenig zu veranschaulichen, möchte ich eine alte Weisheitsgeschichte über den Vedischen Weg erzählen.

Es gab einmal einen selbstverwirklichten Guru, der einen besonders vertrauten Schüler hatte, der sehr „praxisorientiert“ war. Um ihm das Vedische Wissen möglichst anschaulich zu vermitteln, überreichte er ihm am Ende seiner Lehrzeit einen Bleistift und sagte: „Das ganze Wissen der Veden lässt sich in der Lehre dieses Bleistifts zusammenfassen. Behalte einfach diese fünf Regeln:

1. Du musst dich in deinem Leben immer wieder um den Körper und den Geist kümmern, damit du einsatzfähig für deine Bestimmung bist. Genau wie der Bleistift immer wieder angespitzt werden muss, so musst auch du Körper und Geist immer wieder mit Energie versorgen. Lebe in sattva.

2. Jeder hat sein dharma im Leben, das heißt, seine Bestimmung. Genau wie der Bleistift, der immer seine Linie zieht, so musst auch du an deiner „Linie“ festhalten, unbeeinflußt. Lebe im dharma.

3. Erinnere dich immer wieder daran, dass du letztendlich eine unsterbliche Seele bist, ein atma. Genau wie im Holz des Bleistifts die Miene verborgen ist, so lebt in deinem Körper die unsterbliche Seele. Ich frage dich: Was ist wichtiger, das Holz oder die Miene? Lebe also im atma.

4. und 5. Alles mag stimmen: der Ort, die Zeit, deine Fähigkeiten, usw., aber letztendlich kannst du nur dann erfolgreich werden, wenn du in der höheren Verbindung lebst und dein Tun gesegnet ist. Erinnere dich deshalb stets daran, dass du nicht der Handelnde bist, genau wie der Bleistift, der niemals das Buch oder den Aufsatz schreibt. Er wird immer von einer Hand geführt. Erinnere dich an das höhere Selbst (paramatma) und lebe in Liebe (bhakti).“

Es heißt, als der Schüler für nur ein Jahr in diesem Weg, dem Vedischen Weg, geführt worden war, überkam ihn bhakti (der göttlichen Liebe).

Diese fünf Lektionen beinhalten die tiefgründige Weisheit der alten indischen Kultur – in einem Format, welches es leicht macht, die theoretischen Weisheiten anzuwenden und sofortige Ergebnisse zu erhalten. Hier sind in Kürze noch einmal die fünf Lektionen des Bleistifts:

Lektion 1: Regeneriere oder baue dich regelmäßig auf – physisch, geistig und spirituell. Lebe in sattva.

Lektion 2: Entdecke deine einzigartige Bestimmung in diesem Leben und führe sie aus. Lebe in deinem dharma.

Lektion 3: Bleibe immer mit deinem tiefsten Selbst, der Seele, in Verbindung. Lebe im atma.

Lektion 4: Achte auf dein Gewissen und korrigiere Fehler. Bleibe in der höheren Verbindung, geführt vom paramatma, dem höheren Selbst.

Lektion 5: Entwickle deine Liebe – göttliche Liebe. Lebe in bhakti.

Wenn ich mit diesem kurzen Schreiben einige hilfreiche Anregungen geben konnte, würde ich mich freuen, wenn Sie und ihr weiter diese Webseite besucht, um die jüngsten Entwicklungen zu verfolgen.

 


 

Fragen, Bermerkungen, Vorschläge?

Schreiben Sie an Sacinandana Swami und das Vedicway.org Team. Wir freuen uns auf Ihre Fragen, Bemerkungen und Vorschläge.

Email: vedicway.org@gmail.com

 


 

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